Luggage-Car, Luggage-Car

Freitag/Samstag, 16./17. September

Jaja, so ein Hoteltag kann manchmal etwas verwirrlich sein. Das mit dem „Venedig Chinas“, von dem ich letztes Mal schrieb, war jedenfalls ’ne glatte Falschinformation. Es gibt diesen Ort zwar tatsächlich, allerdings ist er nicht in Suzhou, sondern etwas weiter westlich, in Wu Zhen zu finden. Recht nah von Wuxi. Wir waren da – und: wir waren nicht ganz die einzigen. Auf dem Parkplatz vor dem Haupteingang zum historischen Gelände, reihten sich Reisecars wie Seidenraupen aneinander. Und wer drinnen genug lange wartete, der wurde von einem chinesischen Gondoliere in einem rustikalen Holzboot durch die Gegend gefahren. Wir staunten nicht schlecht über die Muskelkraft des älteren Herrn, der immerhin acht von uns Pandas ziemlich elegant das Flüsschen rauf paddelte. Und er wiederum staunte auch nicht schlecht, als wir spontan ein kleines „O Sole Mio“ anstimmten...

 

Die Touristenattraktion Wu Zhen ist eindrücklich, keine Frage. Und sie scheint insbesondere bei Einheimischen unheimlich beliebt zu sein. Westliche Gruppen wie unsere waren auf dem Areal klar in der Minderzahl. Auch hier wieder schön zu beobachten war das typische Reiseverhalten der Chinesen: Ein Guide, gerne mit Mikrofon im Gesicht und Mini-Lautsprecherböxli um den Gürtel, schreitet emsig voraus, redet nahezu ununterbrochen und die ganze Gruppe folgt ihm im Gänsemarsch- Welches Tempo er auch anschlägt, egal wie eng die Gässli sind... besichtigt wird im Eilzugstempo – da ein Foto, da ein Selfie, und sofort weiter! Gemütlichkeit ist nicht so ihr Ding. Unser Guide Luis drohte manchmal auch etwas in dieses Fahrwasser zu geraten – er war verglichen mit seinen Kolleginnen und Kollegen vor Ort aber doch deutlich relaxter drauf. Das mag wohl daran liegen, dass er inzwischen doch schon ein ganzes Weilchen mit uns Unbändigen unterwegs war. Wir haben das „Venedig Chinas“ jedenfalls genossen, genossen es aber auch, danach wieder in den Car zu steigen und Richtung Shanghai zu fahren. Zurück in unser Hotel. Zurück zu unseren bequemen, weichen Betten...

 

Tags zuvor hätte man diese wohl nötiger gehabt als je zuvor. Dem Vernehmen nach wurde die Panda-Herde bei strömendem Regen den „Tiger-Hill“ raufgejagt, was doch das eine oder andere Viech unserer Horde ein bisschen an die Grenze der guten Laune brachte. Eindrücklich auf der einen und einträglich auf der anderen Seite soll der Besuch einer Seidenfabrik gewesen sein. Man(n) staunte über die Seidenrauben, darüber, wie aus ihren Kokons die dünnen Fäden und daraus wiederum die feinen Stoffe werden. Und natürlich kaufte man im Anschluss fleissig ein. Eine gute Souvenir-Gelegenheit für die Liebste zu Hause. Über das Theaterspektakel am Abend gingen die Meinungen auseinander: Während die einen von einer „doch recht spannenden, eindrücklichen“Aufführung sprachen, fandens andere einfach nur "grässlich langweilig“. Ein paar wenige sollen den Programmpunkt sogar ganz ausgelassen haben und in eine Beiz verschwunden sein. Bier war jedenfalls auch im Anschluss an das Tagesprogramm ein grosse Stichwort: Ohne den ursprünglich geplanten Zwischenhalt im Hotel gings abends nämlich direkt weiter in eine Karaoke-Bar, wo zahlreiche Pandas am Mikrofon zur Hochform aufgelaufen sein sollen. Es war tags darauf jedenfalls sehr, sehr still im Car... Ein untrügliches Zeichen für Spektakel in der Nacht.

 

Back in Shanghai hiess es dann wieder: Zimmer beziehen. Aber gleichzeitig leider auch schon: packen. Denn der letzte "richtige" Abend stand an, die meisten nutzten ihn, um in der Stadt nochmals richtig fein zu essen, gemütlich zusammenzusitzen und danach – in jeweils individueller Dosierung – das Nachtleben zu geniessen. Da der Flug am Samstag erst spät abends ging, blieb den ganzen Tag über jede Menge Zeit für Sightseeing und Shopping. Dabei entpuppte sich vor allem der "Shanghai Food Market" als echtes Erlebnis. Schlangenhäute? Vakumierte Schweineköpfe? Oder die Gans als Ganzes? Kein Problem. Hier gibts nichts, was es nicht gibt. Nur das mit dem Bezahlen ist so eine Sache... Kreditkarten sind offenbar nicht so beliebt, vor allem nicht ausländische. Einige von uns haben das selber erlebt – respektive, sie erlebten eine Teeverkäuferin, die es kaum fassen konnte dass keiner dieser West-Touristen Bargeld dabei hat! Aber es nützte alles nichts: Die gute Frau musste angewidert ein kleines Formular ausfüllen, dieses zwei Stockwerke weiter unten zu einem Cash-Desk bringen, wo drei Mitarbeiter es beäugten, die Zahlung verarbeiteten und der armen Frau wahrscheinlich auch noch eine kleine Kommission dafür abknöpften. Am Schluss fand sie's dann doch noch halbwegs lustig – und liess sich sogar zu einem Foto überreden! Schliesslich hatte sie gerade Tee im Gegenwert von rund 600 Yuan verkauft. Das ist viel in China. Für uns sinds knapp 100 Franken.

 

Gegen Abend gings dann mit dem Speedtrain Richtung Flughafen. Der Magnetschwebezug, der tagsüber mit über 450 Stundenkilometern zwischen den grossen Metropolen des Landes hin- und herdonnert (abends und nachts mit 300) war die letzte Sehenswürdigkeit, die uns Reiseführer Luis unbedingt noch zeigen wollte. Selbstverständlich wurde ein Teil unseres Gepäcks mit einem Luggage-Car, Luggage-Car zum Flughafen befördert, befördert, yeah. Und dann gings auch schon zum Check-in, Check-in. Wir werden Luis und seine ständigen Wiederholungen vermissen.

 

 

 

Der Propagandapanda Propagandapanda

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0